Giovanni Trapattoni und der Journalisten Mikrofone – eine vom Zweck geprägte, der Komik gewidmete, Dauerbeziehung. So auch im Rahmen des Länderspiels Irland vs. Polen, als sich „Trap“ wieder einmal weit aus dem medialen Fenster lehnte und mit folgender Aussage zum aktuell debattierten Wettskandal für Aufregung sorgte:
„Ich dachte mir: Die sind entweder Idioten oder sie stehen unter Drogen oder sie haben das Spiel verkauft, aber dafür habe ich natürlich keine Beweise.“
Gemeint: Seine eigenen Spieler bei Red Bull Salzburg, die im März 2008 vor eigenem Publikum sang- und klanglos gegen den SK Rapid mit 0:7 unter die Räder gerieten. Ein Sager, ein Aufschrei. Die internationale Presse entschied sich dafür, die Optionen „Idioten“ und „Drogen“ auszuklammern und fokussierte sich auf den in den Raum geworfenen Wettbetrug.
So auch Österreichs mächtigstes Printblatt, die „Kronen Zeitung“, das in der heutigen Ausgabe auf einer Doppelseite die Vorwürfe auf die Agenda hob. Die komplette Riege der Bundesliga-Trainer wurde zu Wort gebeten, das Resultat war inhaltlich zum Großteil der Anlass für diesen Aufschrei.
Roger Schmidt, Salzburg-Coach, meinte: „Solange nichts bewiesen ist, möchte ich dazu nicht viel sagen.“ Tat das im nächsten Satz entgegen seiner Ankündigung dennoch: „Ich bin aber überzeugt, dass 99,9 Prozent aller Fußballspiele korrekt und sportlich fair über die Bühne gehen.“ Woher diese Überzeugung kommt, blieb unbeantwortet. Im aktuellen von der Europol aufgedeckten Wettskandal leichtfertig mit Zahlen um sich zu werfen, halte ich für gefährlich; vor allem da eine Schmidt’sche Vermutung von 99,9% sauberer Spiele nahe legt, dass das Problem eigentlich gar keines ist. Nebensatz: Pauschal heruntergespielt hat die Thematik auch FIFA-Boss Sepp Blatter, der nur 0,04 Prozent aller Spiele manipuliert sieht. Fraglich, wie Schmidt als auch Blatter geantwortet hätten, hätte man sie vor den Europol-Enthüllungen zum Prozentwert manipulierter Spiele befragt.
Leichtfertig, da das Problem scheinbar nicht zur Gänze Ernst nehmend, antwortete auch Rapid-Trainer Peter Schöttel in der „Krone“: „Mag sein, dass in unteren Ligen die Versuchung größer ist. In der Bundesliga kann ich es mir nicht vorstellen.“ Autsch. Denn: Europol-Ermittlungen zeigen, dass sowohl WM- und EM-Qualifikationsspiele als auch Champions League-Partien vom Wettskandal betroffen sind. Da konterkarieren Schöttels Aussagen die Enthüllungen doch ein wenig.
Gänzlich an das weiße Trikot im Fußball glaubend gibt sich Ried-Coach Angerschmid: „Ich glaube zwar, dass es vor allem in südlichen Ländern Spielmanipulationen gibt – aber nicht bei uns.“ Klischee bedient, setzen Nicht Genügend. Die bisher höchste Zahlung an eine Einzelperson soll laut Europol nach Österreich geflossen sein. Die Partie Red Bull Juniors vs. Hartberg soll laut Europol-Ermittlungen den europaweit höchsten Profit abgeworfen haben. „Südliche Länder“ sehen anders aus.
Sämtliche Anschuldigungen will auch Heimo Pfeifenberger, Wr. Neustadt-Coach, nicht wahrhaben: „Ich hab das Spiel in Salzburg damals live gesehen. Es war nicht geschoben.“ Im Sinne des Sports möge diese Aussage hoffentlich zu 100% richtig sein. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass Pfeifenberger auf der Tribüne sitzend ein sauberes von einem geschobenen Spiel zu unterscheiden mag. Andernfalls sollte die FIFA über ein Pfeifenberger-Engagement als Chefaufdecker nachdenken…
Was bleibt, ist ein fahler Beigeschmack ob der getätigten Aussagen, die eine Verklärung der Sachlage nahe legen. Typisch österreichisch: Alles nicht so schlimm, wird schon gut gehen. Es wird jedoch schwer ein Problem zu bekämpfen, welches manche in der offenbarten Dimension so gar nicht wahrhaben möchten.
Linktipps:
derstandard.at: Staatsanwaltschaft Graz ermittelt gegen 20 Verdächtige
spiegel.de: Wo Fifa und Uefa beim Wettbetrug versagt haben
zeit.de: Bosbach verlangt bei Wettskandal Nennung der Vereine und Spiele
faz.net: Wetten, dass im Fußball krumme Dinger laufen?
zdf.de (ab Minute 30:30): Ex-Fußballprofi René Schnitzler bei Markus Lanz
sueddeutsche.de: „Europa demontiert die Fifa-Reform“
interwetten.com: Die Wahrheit über den Wettskandal
Phrasenschwein